Engagement im Wandel

Wie sich Formen und Orte der Zivilgesellschaft verändern –
Empfehlungen für neue Förderstrategien

Engagement im Wandel (Cover)

In der aktuellen Entwicklung der Zivilgesellschaft in Deutschland zeigt sich eine zunehmende Vielfalt, die sich schwer in die traditionelle Dreiteilung von Staat, Wirtschaft und Dritter Sektor einordnen lässt. So ist zum Beispiel die wachsende Zahl an Sozialunternehmen, die mit ihren Produkten Lösungsangebote für gesellschaftliche Herausforderungen liefern, in der Sphäre zwischen Wirtschaft und Drittem Sektor zu verorten. Staatliche Institutionen wie Museen und Bibliotheken sind häufig auf ehrenamtliches Engagement angewiesen und somit in die Sphäre zwischen Staat und Drittem Sektor einzuordnen.

Die klassische Einteilung, die noch oft in der Förderpolitik verwendet wird, entspricht nicht mehr der Realität der heutigen Zivilgesellschaft. Fördermaßnahmen, die auf formelle Organisationsstrukturen und den Status der Gemeinnützigkeit fokussieren, greifen zu kurz. Um das reale zivilgesellschaftliche Engagement effektiv zu unterstützen, ist eine Anpassung der Förderkriterien an die tatsächliche Vielfalt und Dynamik der Zivilgesellschaft erforderlich.

Die bisher üblichen Kriterien von förderwürdigem und nicht förderwürdigem Engagement stehen daher auf dem Prüfstand und bedürfen einer empirischen Neubewertung. In diesem Zusammenhang stellen sich wichtige Fragen:

  1. Was ist vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Vielfalt der Engagierten als förderwürdiges Engagement anzusehen?
  2. Welches Engagement könnte möglicherweise als nicht förderwürdig betrachtet werden?
  3. Wie können neue Formen des Engagements sinnvoll gestärkt und gefördert werden, um positive gesellschaftliche Veränderungen zu unterstützen?

Um diesen Fragen nachzugehen, betrachtet die von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt geförderte Studie insbesondere Engagementformen, die über das herkömmliche Drei-Sektoren-Modell hinausgehen. Sie schlägt ein Bewertungsmodell mit mehreren Kategorien bezüglich ihrer Eignung für Fördermaßnahmen vor und bietet Empfehlungen an, um förderwürdiges Engagement im Kontext der sich verschiebenden Grenzen des zivilgesellschaftlichen Handlungsfelds zu stärken.

Hierfür wird eine förderlogische Definition der Zivilgesellschaft vorgestellt, die ein breiteres Spektrum an Engagementformen einschließt und gleichzeitig klar zwischen förderwürdigen und nicht förderwürdigen Engagementformen unterscheidet. Die Notwendigkeit dieser neuen Definition wird zunächst durch eine kritische Betrachtung des Drei-Sektoren-Modells unterstrichen und durch das Porträtieren verschiedener neuer Engagementformen bekräftigt, die die Vielfalt des zivilgesellschaftlichen Engagements hervorheben.

Darüber hinaus gibt die im April 2024 veröffentlichte Studie einen Überblick über staatliche und private Ansätze zur Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements und zeigt bisher ungenutzte Möglichkeiten der Engagementförderung auf. Abschließend werden kurz- und langfristige Empfehlungen für staatliche und private Förderorganisationen formuliert sowie für die Gesetzgebung und staatliche Kontrollinstitutionen, mit denen die Förderung auf die gesamte Vielfalt des zivilgesellschaftlichen Engagements ausgeweitet werden kann.

 

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Konzeptionelle Grundlagen

Was Zivilgesellschaft ist oder nicht ist, war und bleibt Gegenstand vieler Diskussionen. Förderorganisationen kann jedoch die folgende Definition Orientierungshilfe geben, die auf den bisherigen bereichs- und handlungslogischen Definitionen aufbaut: Zur förderfähigen Zivilgesellschaft gehören jene Akteurinnen und Akteure, die (1) Angebote in die öffentliche Diskussion einbringen und/oder Lösungsideen erproben oder skalieren, mit denen Herausforderungen der Gesellschaft besser bewältigt werden können (handlungslogische Perspektive) und (2) weder in Gänze dem staatlichen, dem wirtschaftlichen noch dem familiären Sektor zugeordnet werden können (bereichslogische Perspektive). Akteurinnen und Akteure sind (3) hingegen nicht zivil(gesellschaftlich) und förderlegitim, wenn diese (ob in einer Gruppe oder als Individuum) sich zwar innerhalb einer geschlossenen Gruppe zivil verhalten, allerdings nicht gegenüber Akteuren und Akteurinnen, die außerhalb dieser Homogenität stehen.

Panorama unterstützenswerter Zivilgesellschaft

Zivilgesellschaftliches Engagement in seiner tatsächlichen Breite und Vielfalt kann besser gefördert werden, wenn Förderkriterien flexibler angewandt werden. So besteht die Möglichkeit, anhand der fünf Kriterien der Enquetekommission (Freiwilligkeit, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet, gemeinwohlorientiert, im öffentlichen Raum stattfindend und schließlich gemeinschaftlich) eine Prüfung vorzunehmen. Dabei muss nicht jedes Kriterium in Gänze erfüllt sein. So sollte es auch zulässig sein, dass ein Kriterium nur teilweise oder auch gar nicht erfüllt ist. Ein möglicher Ansatz könnte sein, dass für die Anerkennung und Förderung von Engagement nicht notwendigerweise alle, sondern nur einige oder eine bestimmte Anzahl der Kriterien erfüllt sein müssen, um ein breiteres Spektrum an Engagementformen zu würdigen und zu unterstützen.

Ungenutzte Chancen

Zwischen gelebtem zivilgesellschaftlichem Engagement und Engagementförderung verbleibt eine Leerstelle bisher noch ungenutzter Chancen. Insbesondere für zivilgesellschaftliches Engagement, das sich an den Grenzen von Wirtschaft, Staat und Drittem Sektor bewegt, ist dies problematisch, da bestehende Verfahren sich auf diese neuen Akteure und Akteurinnen bisher kaum eingestellt haben. So bleiben Potenziale in der Zivilgesellschaft unausgeschöpft und Prozesse werden erschwert. Diese ungenutzten Chancen beziehen sich darüber hinaus nicht nur auf geldbasierte Engagementförderung, sondern auch auf Förderlogiken und Förderkontrolle.

Empfehlungen

Aus den Studienergebnissen leiten sich konstruktive Vorschläge ab, welche die Engagementförderung der zivilgesellschaftlichen Wirklichkeit näherbringen können. Im Sinne einer leichteren Verständlichkeit sind sie in die beiden Gruppen kurzfristig und langfristig umsetzbare Empfehlungen unterteilt.